Selbstorganisation von wässrigen Chitin-Nanokristallsuspensionen

Selbstorganisation von Chitin-Nanokristallen
 

Chitin ist das zweithäufigste Biopolymer auf der Erde und kommt in vielen lebenden Organismen vor, insbesondere im Exoskelett von Gliederfüßern, Weichtieren und Pilzen. Seine chemische Struktur ist die eines Polymers auf Zuckerbasis, das in lebenden Organismen häufig in halbkristallinen Fasern angeordnet ist. Biologisch dient es verschiedenen Zwecken, von der strukturellen Unterstützung, wie in den Zellwänden von Pilzen und der Kutikula von Krebsen, bis zur Bildung photonischer Strukturen, die die spektakulärsten Farben bei Käfern erzeugen. In Kombination mit Proteinen bildet Chitin Fasern, die in spiralförmigen Strukturen angeordnet sind und die strukturellen Eigenschaften von Meereskrebsen verbessern, wie z.B. die Daktyluskeulen des Fangschreckenkrebses Odontodactylus scyllarus. Verschiedene Käferarten, wie z.B. Cetonia aurata, nutzen ähnliche Strategien, um leuchtende und metallische Farben zu erzeugen, indem sie Chitinfasern zu photonischen Strukturen anordnen, die sichtbares Licht reflektieren. 

Kommerziell wird Chitin hauptsächlich von der marinen Lebensmittelindustrie als Abfallprodukt aus Schalen von Krustentieren gewonnen, wobei das ungenießbare Exoskelett etwa 60 % der gesamten Krustentiermasse ausmacht. Ähnlich wie Cellulose können Chitinnanokristalle (ChNCs) durch saure Hydrolyse aus Biomasse extrahiert werden, wobei stäbchenförmige Nanopartikel entstehen, die in Wasser ein stabiles Kolloid bilden. Wenn die Kolloide durch Verdampfen von Wasser konzentriert werden, ordnen sich die Chitinnanokristalle spontan zu einer periodischen, gut geordneten, hierarchischen chiralen Struktur an. Diese Anordnung ist auf das flüssigkristalline Verhalten des ChNC-Kolloids zurückzuführen und wird als chirale nematische Phase bezeichnet.

Wenn das Wasser vollständig verdampft ist, bildet sich ein fester Chitinfilm mit einer inneren Helixstruktur. Die Periodizität kann von einigen Mikrometern bis zu Hunderten von Nanometern variieren. Durch die Feinabstimmung der Periodizität der Helixstruktur, die durch die Kontrolle des Selbstorganisationsprozesses erreicht wird, kann eine photonische Struktur erzeugt werden, die bestimmte Wellenlängen des sichtbaren Lichts reflektieren kann. Um das Reflexionsvermögen zu erhöhen, wird der Film teilweise in Chitosan umgewandelt. Das hergestellte Material weist Farben auf, die das gesamte sichtbare Spektrum abdecken.

Trotz vieler Ähnlichkeiten mit Cellulose, wie z.B. der Tatsache, dass Chitin in großen Mengen vorkommt, biologisch abbaubar ist und photonische Strukturen bilden kann, muss das Potenzial nachhaltiger photonischer Materialien auf Chitinbasis noch voll ausgeschöpft werden.

Aktuelle Herausforderungen

Obwohl bekannt ist, dass das beeindruckende Schillern der Käfer auf die hierarchische Anordnung der Chitinfasern zurückzuführen ist, ist es bisher nicht gelungen, dieses hohe Reflexionsvermögen im Labor nachzuahmen. Bekannt ist, dass Chitin in der biologischen Matrix in Kombination mit Proteinen und anderen Substanzen gebildet wird, während künstlich hergestellte Filme nur aus reinem Chitin bestehen. Chitin selbst hat eine geringere intrinsische Doppelbrechung als Cellulose, was erklären könnte, warum helikale, selbst zusammengesetzte Filme aus Chitin-Nanokristallen im sichtbaren Wellenlängenbereich keine leuchtenden Farben erzeugen, wie sie in Filmen von Cellulose-Nanokristallen oder in lebenden Organismen zu sehen sind.

Vor diesem Hintergrund werden verschiedene Methoden angewandt, um diese sichtbare Strahlung zu verstärken. Die Themen umfassen:

  • Dotierung von ChNC-Suspensionen zur Herstellung von Kompositen
  • Deacetylierung von ChNCs zu Chitosan-Nanofibrillen
  • Experimentelle Messung der optischen Eigenschaften von Chitin- und Chitosan-Filmen

ChNCs besitzen außerdem einen hohen Gehalt an primären Aminen, der durch sequentielle Deacetylierung weiter erhöht werden kann. Diese einzigartige Funktionalität verleiht ChNCs im Gegensatz zu Cellulose-Nanokristallen mehrere zusätzliche Funktionalitäten, wie z.B.

  • Stabilisierung von Metallnanopartikeln
  • inhärente antibakterielle und antioxidative Eigenschaften
  • Hydrogel-Formulierung und Drug Delivery

Weiterführende Literatur

Structural Color from Cellulose Nanocrystals or Chitin Nanocrystals: Self-Assembly, Optics, and Applications

B Frka-Petesic, TG Parton, C Honorato-Rios, A Narkevicius, K Ballu, Q Shen, Z Lu, Y Ogawa, JS Haataja, BE Droguet, RM Parker and S Vignolini – Chemical Reviews (2023) 123, 1259

(DOI: 10.1021/acs.chemrev.2c00836)

Revealing the Structural Coloration of Self-Assembled Chitin Nanocrystal Films

A Narkevicius, RM Parker, J Ferrer-Orri, TG Parton, Z Lu, GT van de Kerkhof, B Frka-Petesic, S Vignolini – Adv Mater (2022) 34, e2203300

(DOI: 10.1002/adma.202203300)

Controlling the Self-Assembly Behavior of Aqueous Chitin Nanocrystal Suspensions

A Narkevicius, L Steiner, R Parker, Y Ogawa, B Frka-Petesic, S Vignolini – Biomacromolecules (2019) 20, 2830

(DOI: 10.1021/acs.biomac.9b00589)

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