Forschungsprogramm

Forschungsprogramm

Die Abteilung "Biomaterialien" erforscht die Bauprinzipien natürlicher Materialien, welche die Natur im Laufe der Evolution hervorgebracht hat. Im Zentrum des Interesses stehen die außergewöhnlichen mechanischen Eigenschaften solcher natürlichen Materialien, die sich ständig wechselnden äußeren Bedingungen anpassen können. Dabei werden zum einen biomedizinische Fragestellungen mithilfe von Methoden und Ansätzen aus der Physik, Chemie oder Materialwissenschaft bearbeitet. Ein solches Beispiel ist die Erforschung des extrazellulären Gewebes bei Skeletterkrankungen und während der Knochenheilung. Außerdem versuchen wir uns die Vielfalt natürlicher Organismen zunutze zu machen, indem wir deren natürlich entwickelte Lösungsansätze für technische Probleme untersuchen, denen die Organismen in der Natur ausgesetzt sind. Beispiele hierfür sind Materialien, die Steifigkeit und Bruchfestigkeit kombinieren oder sensorische, Selbstheilungs- oder Formänderungsfähigkeiten aufweisen. Verschiedenste Arten natürlicher Materialien, die zumeist auf den typischen natürlichen Polymeren Cellulose, Chitin oder Protein basieren, werden auf diese Weise erforscht.

Die Forschung wird von Forschungsgruppen durchgeführt, die von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen mit unterschiedlichen disziplinären Hintergründen geleitet werden. Zu den vertretenen Fachrichtungen zählen die Mathematik, Physik, Chemie, Materialwissenschaften, physikalische Chemie, Biochemie, Mathematik, Holzwissenschaft.

Shahrouz Amini und seine Gruppe untersuchen das physikalische Prinzip der Kontaktmechanik in biologischen Materialien und erforschen die Art und Weise, wie Materialarchitekturen die mechanische Leistung biologischer Materialien beeinflussen.

Cécile Bidan und ihre Gruppe erforschen die Prinzipien, die die Architektur biologischer Gewebe bestimmen. Die biophysikalischen Untersuchungen konzentrieren sich auf Biofilme, bei denen es sich um gewebeähnliche komplexe 3D-Strukturen handelt, die aus von Bakterien produzierten Biopolymeren bestehen.

Michaela Eder erforscht mit ihrer Arbeitsgruppe Adaptive Fibrous Materials hauptsächlich zellulosebasierte biologische Materialien wie Holz sowie bestimmte Samenkapseln, die sich bei wechselnder Luftfeuchtigkeit oder Temperatur öffnen. Diese Kapseln sind besonders interessant, weil sie Modelle für formverändernde polymere Materialien darstellen.

Franziska Jehle interessiert sich für die multifunktionalen Eigenschaften von schleimbasierten Materialien. Ihre Gruppe untersucht Schneckenschleim, der eine breite Palette von manchmal gegensätzlichen Funktionen hat, wie z. B. Adhäsion oder Schmierung.

Das Forschungsinteresse von Emeline Raguin zielt darauf ab, die strukturellen und funktionellen Eigenschaften der Materialien zu verstehen, die die Zellen und die mineralisierte Matrix während der Entwicklung von Skelettgeweben umgeben. Zu diesem Zweck entwickelt sie Ansätze für die korrelative dreidimensionale Bildgebung auf der Grundlage der kryogenen Rasterelektronenmikroskopie mit fokussierten Ionenstrahlen.  

Angelo Valleriani und seine Gruppe wenden Statistik, Datenanalyse sowie Modellierung und Theorie an, um biologische und biophysikalische Prozesse zu beschreiben und zu verstehen.

Die Gruppe von Wolfgang Wagermaier möchte die Rolle der Struktur in biologischen und biomimetischen Materialien im Hinblick auf deren Funktionen und mechanische Eigenschaften auf verschiedenen Längenskalen verstehen. Mit Hilfe von Kombinationen verschiedenster materialwissenschaftlicher Methoden werden gesunde und erkrankte Knochen untersucht sowie Struktur-Funktions-Beziehungen in anderen (bio)mineralisierten und polymerbasierten synthetischen Materialien.

Die Arbeitsgruppe Mechanobiologie von Richard Weinkamer untersucht dynamische Veränderungen in der Knochenstruktur aufgrund von Knochenumbau, Mineralisierung und Heilungsprozessen. Insbesondere werden seit kurzem die Architektur und die Multifunktionalität des lacuno-kanalikulären Netzwerks der Osteozyten analysiert, die eine Schlüsselrolle bei der Regulation von Prozessen im Knochen spielen. Ausschlaggebend für ihre Forschungsstrategie ist eine Kombination von experimentellen Methoden mit Bildanalyse und Computermodellierung.

Mehrere Gruppenleiter sind am Max Planck Queensland Centre für die Materialwissenschaft extrazellulärer Matrizen beteiligt. Dieses Kooperationszentrum zwischen Deutschland und Australien wurde 2022 gegründet, um neue Materialkonzepte für Bioengineering, Soft-Robotik und andere Bereiche zu entwickeln, die auf gemeinsamen Eigenschaften der verschiedenen von Zellen synthetisierten Materialien basieren, die als mechanische Stütze, als Informationsspeicher und folglich als intelligente Materialien dienen.

Darüber hinaus ist die Abteilung Biomaterialien Teil des Exzellenzclusters „Matters of Activity. Image Space Material“ an der Humboldt-Universität zu Berlin. Der Cluster erforscht die Neuerfindung des Analogen im digitalen Zeitalter. Im Kern steht eine neue aktive Materialität, die die Forschung und den Alltag zu verändern beginnt. Die heutige digitale Technologie eröffnet völlig neue Handlungsweisen auf der Grundlage von Materialträgern, räumlichen Strukturen und Bildern, die in erster Linie als passive Instrumente konzipiert sind. Während Forschung, Industrie und unsere gesamte Gesellschaft auf eine neue Expansion und Implementierung des Digitalen in alle Lebensbereiche zusteuern, ist unser Ansatz, die entgegengesetzte Richtung zu erkunden, indem wir eine neue Kultur der Materialität ausloten. Für uns sind beide Tendenzen - die Digitalisierung und die Neuerfindung des Materials als aktive Materie - eng miteinander verbunden.

Unsere Abteilung ist außerdem Teil der Berlin-Brandenburgischen Schule für Regenerative Therapien, die interdisziplinäre Ausbildungs- und Forschungsmöglichkeiten auf dem Gebiet der Regenerativen Medizin für herausragende Doktorand*innen und Postdoktorand*innen mit einem Hintergrund in den Disziplinen Biologie, Ingenieurwesen oder Medizin bietet. Die Graduiertenschule bringt die Berliner und Potsdamer Universitäten sowie andere renommierte Forschungseinrichtungen in und um Berlin und ihre internationalen Spitzenwissenschaftler zusammen, die sich der Ausbildung der interdisziplinären Wissenschaftler*innen von morgen widmen.

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