Zurück in die Zukunft: 
Ein Rezept aus der Vergangenheit, um Kohlenstoffe mit Phosphor zu potenzieren

 

30. April 2024

Die Forschungsgruppe von Mateusz Odziomek blickte in die Vergangenheit, um innovative Kohlenstoffmaterialien für die Zukunft zu entwickeln. Inspiriert von flammhemmenden Stoffen aus den 1950er Jahren, fügte das Team den Kohlenstoffen eine Rekordmenge an Phosphor hinzu. Dieses neue Material könnte als effizienter Katalysator in der Pharmazie und in der Kunststoffherstellung eingesetzt werden.  
 

Kein Industriezweig kommt ohne chemische Reaktionen aus, und Wissenschaftler*innen nutzen Katalysatoren, um diese zu beschleunigen. Die Arbeitsgruppe von Mateusz Odziomek am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung arbeitet mit nanoporösen Kohlenstoffen, die effiziente Katalysatoren sind. Ihre schwammartige Struktur, die von Millionen winziger Löcher durchzogen ist, bietet eine große Oberfläche, an der chemische Reaktionen effektiv ablaufen können. Zudem stellen Kohlenstoffmaterialien eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Metallkatalysatoren dar: Sie gehören zu den häufigsten Elementen in der Natur, sind ungiftig und können nach Gebrauch recycelt werden.

Die Odziomek-Gruppe suchte nach einer Möglichkeit, Kohlenstoffe zu dotieren. Wie das Wort schon andeutet, wollte das Team ein Element hinzufügen, das die Gesamtleistung ihrer Katalysatoren verbessern könnte. Sie setzten auf Phosphor. Nicht ohne Grund heißt dieses Element wörtlich übersetzt „der Lichtbringer“: Phosphor ist unglaublich reaktiv. Es ist ein Element, das den Kohlenstoffen Reaktionsstellen hinzufügt und maßgeschneiderte Eigenschaften ermöglicht.

Doch Phosphor verträgt die hohen Temperaturen nicht, die für die Synthese von Kohlenstoffmaterialien erforderlich sind. Der Postdoktorand Rémi André fand eine Lösung, indem er auf sein früheres Praktikum bei Solvay zurückgriff. Das Chemieunternehmen nutzte ein patentiertes Verfahren namens PROBAN® zur Herstellung von flammfesten Stoffen, wie sie z. B. in Feuerwehrkleidung verwendet werden.
"Ich untersuchte das Patent aus dem Jahr 1952 und erkannte, dass ich die darin aufgeführten Materialien wie Zutaten eines Rezepts verwenden konnte, um genau die Materialien zu entwickeln, die ich suchte", sagt André.  

Chemische Synthese ist ein bisschen wie Kochen – nur im Labor und mit Schutzbrille statt Kochmütze. Odziomek und André verwendeten ihr Kohlenstoffmaterial wie einen altbewährten Pizzateig. Dann experimentierten sie mit der im PROBAN® -Patent aufgeführten Hauptzutat. Man muss sich das wie ein Gewürz vorstellen, das den Geschmack des Teigs verbessert. Es hat einen Namen, den sich nur Chemiker merken können (Tetrakis(hydroxymethyl)phosphoniumchlorid oder THPC), stellte jedoch eine entscheidende Ergänzung dar: THPC ist reich an Phosphor und flammhemmend. Das Team verfeinerte die Rezeptur mit einer Prise Salz. Dabei kam ein am Institut entwickeltes Verfahren zum Einsatz, um zusätzliche Poren zu schaffen – mehr Oberfläche für die Reaktionen. Sobald die Mischung auf 800 °C erhitzt wurde, bildete das THPC eine schützende Barriere und die Hitze breitete sich langsam aus, so dass der Phosphor erhalten blieb.

"Letztendlich haben wir den Phosphor – unser spezielles Gewürz, sozusagen – direkt in den Kohlenstoff, unseren Teig, eingearbeitet. Das Ergebnis ist ein Material mit einem rekordverdächtig hohen Phosphorgehalt, etwa 18 % statt der üblichen 3 %, und es ist sehr stabil", erklärt Odziomek.

Dieses kreative Kochen alter Zutaten verspricht, Kohlenstoffe fit für die Zukunft zu machen, mit potenziellen Anwendungen, die von der Energieumwandlung bis zur Pharmaindustrie reichen.

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