Mikroarchitektur von Holz und Knochen
Am Golmer Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung wird am 01.02.2003 eine vierte Abteilung unter der Leitung von Prof. Peter Fratzl eröffnet. Der österreichische Festkörperphysiker kann bereits auf bahnbrechende Erfolge in der Grundlagenforschung zurückblicken. Verbundmaterialien wie Knochen und Holz gelten dabei seiner besonderen Aufmerksamkeit.
Dass der Knochen ein komplizierter biologischer Verbundwerkstoff aus hoch dehnbaren, aber weichen Kollagenmolekülen und harten, aber spröden Mineralplättchen ist, wird jeder wissen, der sich schon mal Arm oder Bein gebrochen hat. Die Erforschung von genau den mechanischen Wirkvorgängen in Knochen und Holz, die die Endfestigkeit des Materials erhöhen, hat sich der renommierte Wissenschaftler Prof. Peter Fratzl vorrangig zu seiner Aufgabe gemacht. Von Untersuchungen einzelner Knochenerkrankungen wie der Osteoporose über die Voraussage von Veränderungen der Hornhautkrümmung bei Laser-Operationen bis hin zu der Struktur und den mechanischen Eigenschaften verschiedener Holzarten reicht die Forschungspalette der vierten Abteilung, aus der sich direkt neue Behandlungsmethoden für Knochenerkrankungen und Knochenbrüche ableiten lassen.
Mit Hilfe von Elektronenmikroskopie und Röntgenbeugung lassen sich beispielsweise die Mineralisierung des Knochens sowie die Größe, Form und Anordnung der Mikrokristalle bestimmen. Während der Histologe in einem Knochenpräparat vor allem die Zellen und den allgemeinen Gewebezustand beurteilt, erlangt der Physiker wichtige Erkenntnisse zur Qualität des Knochenmaterials. Bei Erkrankungen wie der Glasknochenkrankheit oder der Osteoporose wird dadurch eine Unterstützung bei der Diagnose ebenso möglich, wie der Nachweis des Einflusses von Therapien (z.B. Behandlung mit Fluor oder Bisphosphonaten bei Osteoporose) auf die Struktur und daher die Frakturanfälligkeit des Knochens.
Die Verbesserung des Verständnisses um diese komplexen Strukturen wird wiederum „biologisch stimuliert“ zur Konstruktion neuer Leichtbaumaterialien führen. Erste Beispiele sind hochporöse Materialien, deren innere Architektur auf bestimmte mechanische Festigkeit hin optimiert wird. In Zukunft könnten solche Materialien als neuartige Knochen- oder Zahnimplantate dienen. Ein weiteres Beispiel ist die dreidimensionale "Kopie" von natürlich vorkommenden Materialien wie Holz und Zellulose in eine andere Stoffklasse, z. B. Metall oder Keramik. So könnten sehr aufwändige Prozesse zur Herstellung von technischen Werkstoffen durch einfachere Wege ersetzt werden.