Materialien aus Luft?
Wie aus Blasen Silica-Aerogele entstehen
Silica-Aerogele gehören zu den leichtesten Feststoffen und sind dank ihres einzigartigen Porennetzwerks effektive Isolatoren - ähnlich einem Schwamm, der mit Luft statt mit Flüssigkeit gefüllt ist. Röntgenuntersuchungen haben gezeigt, dass winzige Blasen für die Aufrechterhaltung der Poren während der Aerogelbildung entscheidend sind. Diese Blasenbildung („Kavitation" genannt) verhindert das Zusammenfallen des Materials und weist auf kostengünstige alternative Herstellungsmethoden mit vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in der Bauindustrie hin.
Ein superleichter Schwamm mit Poren, die nicht mit Flüssigkeit, sondern mit Luft gefüllt sind – so kann man sich Silica-Aerogele vorstellen. Diese Materialien gibt es seit 1931, als es einem Chemieingenieur gelang, die flüssige Komponente in den Gelen auszutrocknen und durch Luft zu ersetzen, ohne das innere Porennetz zu schrumpfen. Genau diese Porenstruktur verleiht den Silica-Aerogelen ihre einzigartigen Eigenschaften: Sie gehören zu den leichtesten Feststoffen überhaupt und sind hocheffiziente Wärmeisolatoren.
Doch wie behalten diese fast nur aus Luft bestehenden Materialien ihre Form?
Julien Gonthier widmete seine Doktorarbeit dem besseren Verständnis des komplexen Herstellungsprozesses von Silica-Aerogelen. Die festen Ausgangsstoffe (die " Präkursoren") sind nicht schwer zu beschaffen - Silizium kommt beispielsweise in Sand vor - und werden dann in einer Flüssigkeit (einem „Lösungsmittel“) zu einem Gel „gekocht“. "Der schwierigste und faszinierendste Teil ist das Trocknen der Flüssigkeit, um das Aerogel zu erhalten. Der Prozess muss genau gesteuert werden, damit die Poren erhalten bleiben und Luft eindringen kann", erklärt Gonthier. Bisherige Methoden erfordern meist teure Geräte.
Unter der Leitung von Dr. Wolfgang Wagermaier bestrahlte Gonthier das Probenmaterial mit Röntgenstrahlen, um den Trocknungsprozess zeitaufgelöst beobachten zu können. Die verschiedenen Bestandteile des Materials - fest, flüssig und gasförmig - lassen die Röntgenstrahlen in verschiedenen Stadien unterschiedlich durch. „Diese Momentaufnahmen lieferten uns die einzigartige Signatur des Materials“, beschreibt Dr. Ernesto Scoppola die gesammelten Bilder. „Indem wir sie analysierten, konnten wir die Bestandteile lokalisieren und ihre Dichte messen.“ Anhand dieser Daten erstellte das Forschungsteam ein 3D-Modell, das die allmähliche Verdampfung der Flüssigkeit visualisiert.
Blasen stellten sich als entscheidend für die Erhaltung der gewünschten Porenstruktur heraus. Sie entstehen in der Flüssigkeit durch einen Prozess, den die Forschenden „Kavitation“ nennen und den wir im Alltag beim Wasserkochen beobachten können. In unseren Kochtöpfen sorgt der plötzliche Temperaturwechsel für die Blasenentstehung. In einem Aerogel hingegen bilden sich Blasen, wenn das flüssige Lösungsmittel durch die poröse Struktur verdampft und eine plötzliche Druckänderung verursacht. Diese winzigen Blasen sind zwar kurzlebig, wirken aber wie druckausgleichende Kissen und verhindern dadurch, dass das Gel reißt oder zusammenfällt. Letztendlich lösen sich die Blasen auf und schaffen so Platz für Luft, die die Poren füllt. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven: die langsame Trocknung bei normalem Luftdruck und Raumtemperatur könnte eine interessante Alternative sein, um Silica-Aerogele einfacher und kostengünstiger herzustellen.