Ausdehnung der Grenzen:
Neue Methode erfasst Elastizität in 3D und in Echtzeit
Materialien können ihre Form vorübergehend ändern, wenn eine Kraft auf sie einwirkt – das nennt man elastische Verformung. Um diese zu messen, analysieren Forschende die leichte Farbänderung des Lichts, das von einem Material unter einem Laserstrahl reflektiert wird. Dr. Shahrouz Amini und sein Team haben diese Methode erweitert, um die Elastizität in Echtzeit und in 3D zu messen. Mit einem umgekehrten Nanoindenter – ähnlich einer winzigen Bleistiftspitze aus Diamant – setzen sie das Probenmaterial unter Spannung und messen die daraus resultierende Verformung mittels Laserstrahl. Die präzise Untersuchung der Elastizität ermöglicht die Entwicklung maßgeschneiderter Materialien für Anwendungen von der Mikroelektronik bis zu Prothesenimplantaten.
Elastische Verformung ist überall um uns herum und in uns: Wir dehnen Gummibänder, wir schießen Fußbälle ins Tor, unsere Muskeln und unsere Haut dehnen sich, wenn wir uns bewegen – all das sind Beispiele für vorübergehende Verformungen als Reaktion auf eine äußere Kraft. Sie alle kehren in ihre ursprüngliche Form zurück, sobald die Kraft nachlässt. Sogar unerwartete Materialien wie unsere Knochen biegen und stauchen sich leicht durch elastische Verformung. Jeder von uns kennt, wie Elastizität an ihre Grenzen stößt: Gummibänder und Fußbälle reißen oder, was schmerzhafter ist, Muskeln und Haut reißen und Knochen brechen.
Dr. Shahrouz Amini und sein Team haben sich zum Ziel gesetzt, die elastische Verformung verschiedener künstlicher und natürlicher Materialien so genau wie möglich zu messen. Bei der bestehenden Methode (der konfokalen Raman-Mikroskopie), treffen Laserstrahlen auf ein Zielmaterial, bevor und nachdem es einer Zugkraft ausgesetzt wurde. Dabei verändern die Atome im Material geringfügig ihre Bindungen und schwingen unterschiedlich, was sich auf die endgültige Wellenlänge des von ihnen gestreuten Lichts auswirkt. Die Wissenschaftler*innen vergleichen dann die Wellenlängenverschiebungen zwischen dem ursprünglichen und dem endgültigen gestreuten Licht, um das mechanische Verhalten des Materials zu beschreiben.
Diese Methode liefert einen Überblick und erfasst, was an der Oberfläche passiert, nachdem ein Material elastisch verformt wurde. Doch Amini und seine Kollegen wollten den Prozess genauer untersuchen, während er abläuft. "Wir wollten in Echtzeit und mit hoher Auflösung messen. Wir wollten uns sozusagen einen Film ansehen, anstatt durch Vorher-Nachher-Schnappschüsse zu blättern", schwärmt Amini. Um das zu erreichen, "mussten wir die Perspektive ändern und buchstäblich auf den Kopf stellen", ergänzt Prof. Peter Fratzl.
Bisher hatten die Forschenden ihr Material unter einen Nanoindenter gelegt – eine Art winzige Bleistiftspitze, tausendmal kleiner als ein menschliches Haar, die nach unten drückt, um Spannung auszuüben. Amini und sein Team machten es umgekehrt: Sie montierten ihre Probe auf eine Plattform, die über dem Nanoindenter sitzt. So treffen die Laserstrahlen von oben auf die Probe, und der darunter liegende Eindringkörper behindert nicht die Wellenlängen, die die Forschenden registrieren. Das Ergebnis ist eine 3D-Karte, die zeigt, wie sich Materialien in verschiedenen Tiefen und an verschiedenen Stellen unterschiedlich verformen.
Amini und seine Kollegen haben ihre Gedanken ausgedehnt, um einen Weg zu finden, die Elastizität in Echtzeit genau zu messen. Jetzt können andere das 3D-RISM (3D Raman Indentation Strain Mapping) nutzen, um sich von natürlichen Materialien wie Zähnen, Muscheln und Mineralien inspirieren zu lassen und Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu entwickeln, von Baumaterialien bis hin zu verbesserten Prothesenimplantaten.