Schreiben mit Licht
Deutsch-griechisches Forscherteam erzeugt mit schwach fokussiertem Laserlicht erstmals Linien und Punkte in transparenten Polymerlösungen
Einen neuen Effekt, der bei der Interaktion von Laserlicht und Materie auftritt und für holographische, mikrooptische und nanotechnologische Anwendungen von Nutzen sein könnte, haben griechische und deutsche Forscher erstmals beobachtet (Science, 5. Juli 2002). Während lichtmikroskopische Abbildungen bereits eine sehr lange Geschichte haben, ist die Möglichkeit der Fixierung und Verschiebung von Mikropartikeln mit Licht erst relativ jung und hat neue Experimente im Mikrometerbereich ermöglicht. Um die Partikel mit so genannten „optischen Pinzetten“ festzuhalten, war bisher eine starke Fokussierung des Lichts erforderlich, um die notwendigen Kräfte aufzubringen. Jetzt berichten die Forscher aus den Max-Planck-Instituten für Polymerforschung und für Kolloidund Grenzflächenforschung sowie von der Universität Athen und dem FORTH-Institute of Electronic Structure and Laser in Heraklion/Kreta, dass man in Polymerlösungen bereits mit schwach fokussiertem Laserlicht die lokale Konzentration erhöhen und vorübergehend Muster aus Punkten und Linien erzeugen kann. Die Forscher haben bereits mehrere Voraussetzungen für dieses „Schreiben“ mit Licht identifiziert: Die Polymere müssen über Doppelbindungen im Polymerrückgrat verfügen und in ausreichend langen Ketten vorliegen, um größere Netzwerke bilden zu können. Darüber hinaus muss ihr Brechungsindex höher als der des Lösungsmittels sein. Die Muster können in wenigen Sekunden erzeugt werden und bleiben mehre Tage bestehen, bevor sie sich langsam wieder auflösen.
Optische Verfahren spielen bei der Untersuchung von Materialien eine wichtige Rolle. So reichen schon geringe Lichtleistungen aus, um zum Beispiel eine mikroskopische Abbildung zu erzeugen. Soll dagegen ein Material mit Licht bearbeitet, also in seiner Struktur verändert werden, erfordert das – abgesehen von photochemischen oder photothermischen Einflüssen – üblicherweise bedeutend höhere Lichtleistungen oder eine starke Fokussierung der dazu verwendeten Lichtquelle (Laser). Das deutsch-griechische Forscherteam hat nun beobachtet, dass in bestimmten Polymerlösungen schon bei schwachem Licht mit geringer Fokussierung eine innere Reorganisation und Aggregation von Polymerketten auftritt.
Aus dem Laboralltag war schon seit längerem bekannt, dass sich bei Lichtstreuuntersuchungen mit Lösungen aus Block-/Copolymeren aus Polystyrol und Polyisopren der beleuchtende Laserstrahl immer weiter aufweitet und letztlich verschwindet.
Zur genaueren Untersuchung haben die Forscher die Ursache der Strahlaufweitung für Homopolymerlösungen in einem Mikroskopaufbau senkrecht zum Laserstrahl im Detail sichtbar gemacht. Hierbei stellten sie überraschend fest, dass sich mit dem Laserstrahl Punktreihen oder linienartige Fäden mit einigen Mikrometer Durchmesser in die Lösung schreiben lassen, d.h. die Polymerkonzentration an diesen Stellen stark ansteigt. Diese Fäden wiederum verhalten sich dabei wie Fasern eines Lichtleiters und führen auf diese Weise zu einer Selbstverstärkung des Effekts.
Die mit dem Laserstrahl bewirkte Materialverschiebung erinnert an eine „optische Pinzette“, die mit einem stark fokussierten Laserstrahl zum Beispiel einzelne Kolloidteilchen festhalten kann. Dabei muss die Haltekraft der Pinzette ausreichend groß sein, damit das Teilchen nicht durch die Wärmebewegung wieder entkommt. Überschlagsrechnungen für die jetzt untersuchten Polymerlösungen ergaben jedoch, dass bei der geringen Fokussierung des Lasers die Haltekraft für ein Monomer um acht Größenordnungen kleiner ist als bei der Fixierung mit einer optischen Pinzette. Die Ursache für diesen geringeren Kraftaufwand sehen die Wissenschaftler in der Anordnung der Monomere in Polymerketten.
Tatsächlich konnten sie eine direkte Korrelation zwischen dem Auftreten des „Schreib-Effekts“ und der Konzentration der Polymere in Lösung nachweisen. Während Polymere in stark verdünnten Lösungen als Einzelketten vorliegen, fangen sie bei höherer Konzentration an, sich zu überlappen. Steigt der Polymeranteil in der Lösung noch weiter an, bildet sich durch Verschlaufung ein Polymer-Netzwerk, das sich wie Gummi verhält: Wird an einer Stelle gezogen, wirkt die Kraft über die gesamte Probe und es verschieben sich auch die Makromoleküle an anderen Stellen im Netzwerk. Der Konzentrationsgrad, von dem ab sich eine Polymerlösung ähnlich wie Gummi verhält, bildet offensichtlich die untere Grenze für das Auftreten des Schreib- Effekts“. Die Makromoleküle reagieren also nicht einzeln auf den Einfluß des Lasers, sondern erst kollektiv als Netzwerk.
Beim Test verschiedener Polymere fanden die Forscher ein weiteres Kriterium für das Auftreten des neuen Effekts: Er tritt auf bei Makromolekülen mit Doppelbindungen in der Hauptkette, wie Polyisopren, nicht aber bei Polymeren ohne Doppelbindungen in der Hauptkette, wie Polystyrol. Dasselbe Phänomen trat auch bei Polybutadien auf, ein Polymer, dass in zwei Formen hergestellt werden kann, mit Doppelbindungen in der Hauptkette oder nur in den Seitenketten. Auch hier trat die Strahlaufweitung nur bei der Form mit Doppelbindungen in der Hauptkette auf.
Dr. Reinhard Sigel, Erstautor der „Science“-Studie, meint zu dem neuentdeckten Effekt: „Heute können in der Polymerchemie bereits Substanzen mit den unterschiedlichsten Eigenschaften maßgeschneidert werden. Die jetzt entdeckte Möglichkeit, diese Substanzen mit einem Laser schwacher Intensität effizient und gezielt beeinflussen zu können, eröffnet viele Perspektiven für neue mikrostrukturierte Materialien und deren Anwendung.“