Wenn eine Membran auf ein Tröpfchen trifft
Zellen sind die Bausteine unseres Körpers. Um die verschiedenen Funktionen, die für das Leben erforderlich sind, ausführen zu können, organisieren die Zellen ihre Bestandteile (wie Wasser, Ionen, Lipide, Proteine und DNA) in Kompartimenten, die Organellen genannt werden. Diese Organellen erfüllen spezialisierte Funktionen, genau wie die verschiedenen Organe in unserem Körper. Während die Wissenschaft lange Zeit davon ausging, dass alle Organellen von einer Membran umgeben sind (membrangebundene Organellen), wissen wir heute, dass einige Komponenten als membranlose Organellen mit flüssigkeitsähnlichen Eigenschaften in Tröpfchen kondensieren können. Diese membranlosen Organellen werden als „biomolekulare Kondensate“ bezeichnet. Über die Wechselwirkung zwischen diesen biomolekularen Kondensattröpfchen und den membrangebundenen Organellen ist bisher wenig bekannt. Forschende am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) in Potsdam entwickelten synthetische membranlose Organellen und machten sichtbar, was passiert, wenn sie auf eine Membran treffen. Sie zeigten, dass die Wechselwirkung von biomolekularen Kondensaten und Membranen diese gegenseitig umformen und zu dramatischen morphologischen Veränderungen führen kann, die durch veränderte äußere Bedingungen gesteuert werden können.
Zellen sind die grundlegenden Einheiten des Lebens und bieten eine einzigartige und dynamische Umgebung, die die Organisation von Molekülen und chemischen Reaktionen ermöglicht, die für das Leben notwendig sind. Innerhalb jeder Zelle gibt es unzählige Moleküle wie DNA, Proteine, Zucker und Lipide, die auf unterschiedliche Weise miteinander interagieren. Wissenschaftler arbeiten daran zu verstehen, wie Zellen diese Komponenten in komplexen Umgebungen organisieren, indem sie synthetische Zellen mit weniger Bestandteilen erstellen. Dieses aufstrebende Feld, der als synthetische Biologie bezeichnet wird, kombiniert die Prinzipien der Ingenieurwissenschaften und Biologie, um natürliche biologische Systeme zu vereinfachen und nachzubilden. Durch die Zerlegung und Rekonstruktion natürlicher Komponenten hoffen die Forschenden, einfache Systeme zu entwickeln, die bestimmte zelluläre Prozesse nachahmen können und so Durchbrüche in der Medizin, Biotechnologie und anderen Bereichen ermöglichen.
Die Zellen und ihre Kompartimente (Organellen) sind normalerweise durch eine Membran begrenzt. Zellen verfügen jedoch auch über membranlose Organellen, so genannte biomolekulare Kondensate, die keine physische Barriere um sich herum haben, sondern aus einer Mischung verschiedener Moleküle bestehen, zusammenhalten können. Diese biomolekularen Kondensate befinden sich im Inneren von Zellen und tragen zur Ordnung bei, indem sie verschiedene Arten von Molekülen in verschiedene Bereiche aufteilen. Einige membranlose Organellen können zum Beispiel eine Menge Proteine enthalten. Indem sie die Proteine von anderen Molekülen in der Zelle trennen, können diese Organellen sie vor dem Abbau schützen und die Aktivität der Proteine regulieren, indem sie sie in unmittelbare Nähe bringen und so Interaktionen zwischen ihnen erleichtern. Sie können auch dazu beitragen, den Zeitpunkt und den Ort der Proteinaktivität innerhalb der Zelle zu steuern. Wissenschaftler untersuchen membranlose Organellen, um mehr darüber zu erfahren, wie Zellen funktionieren und wie sie an der Zellphysiologie und auch an Krankheiten beteiligt sein könnten.
Was passiert, wenn biomolekulare Kondensate mit membrangebundenen Organellen interagieren? Das ist eine berechtigte Frage, wenn man bedenkt, wie viele membranartige intrazelluläre Strukturen es gibt, die eine Begegnung mit den Tröpfchen unvermeidlich machen. Das Forscherteam unter der Leitung von Dr. habil. Rumiana Dimova am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung ging dieser Frage nach, indem es Lipidmembranen und biomolekulare Kondensate als synthetische membranlose Organellen verwendete. Mit Hilfe der Fluoreszenzmikroskopie zeigten sie, dass biomolekulare Kondensate bei Kontakt an den Membranen haften und sich ausbreiten können, so wie ein Tröpfchen auf einer Oberfläche sitzen oder sich ausbreiten kann. Da es sich bei den Membranen jedoch um ein weiches Substrat handelt, können die biomolekularen Kondensate die Membranen auch verformen und formen, während sie sich gleichzeitig selbst verformen. Dr. Agustin Mangiarotti aus der Dimova-Gruppe beobachtete, dass sich die Bereitschaft der Tröpfchen, sich auf Membranen auszubreiten, durch einfache Parameter wie den Salzgehalt der Umgebung oder durch Änderung der Membraneigenschaften und -zusammensetzung beeinflussen lässt. Diese Ergebnisse legen nahe, dass Zellen diese Wechselwirkungen nutzen könnten, um ihre Organellenform und -interaktionen zu modulieren. Das Team beschrieb ein neues Phänomen, nämlich das "interfacial ruffling", einen gegenseitigen Umbauprozess, der komplexe gekrümmte Ausstülpungen erzeugt (siehe Bild). Die Ausstülpungen ähneln der Morphologie intrazellulärer Strukturen, wie dem röhrenförmigen Netzwerk, das den Golgi-Apparat mit dem endoplasmatischen Retikulum verbindet.
Diese Arbeit stellt einen Schritt vorwärts dar, um die Interaktion zwischen biomolekularen Kondensaten und membrangebundenen Organellen in Zellen zu verstehen. Es wird gezeigt, dass biomolekulare Kondensate als Bildhauer komplexe Membranstrukturen fungieren können, indem sie lokale Krümmungen ohne die Beteiligung aktiver Prozesse erzeugen. Darüber hinaus könnten diese Beobachtungen den Weg für die Entwicklung synthetischer Biomaterialien und Kompartimente auf der Basis von Membran-Tröpfchen mit einstellbaren Eigenschaften ebnen.