Haften oder nicht haften:
Ein neues Verständnis der Kondensat-Membran-Interaktionen

TAKEAWAYS:

  • Herausforderung: Nicht nur der "feste" oder "flüssige" Zustand einer Membran ist entscheidend – auch die Dichte der Molekülpackung beeinflusst, wie proteinreiche Tröpfchen (Kondensate) daran haften
  • Erkenntnis: Dicht gepackte Membranen stoßen Kondensate ab, während locker gepackte sie anziehen
  • Auswirkung: Das Verständnis dieser Mechanismen ist grundlegend für das Begreifen der zellulären Umgebung – und damit des Lebens selbst. Störungen in diesen Prozessen können die Kommunikation zwischen Zellen, die Proteinsynthese und den Verlauf von Krankheiten beeinträchtigen

 

Biomolekulare Kondensate sind winzige Tröpfchen innerhalb der Zelle, bestehend aus Proteinen und anderen Molekülen. Im Gegensatz zu anderen Zellorganellen sind sie nicht von einer Membran umgeben. Rumiana Dimova und ihr Team untersuchen, wie diese Tröpfchen mit ihren membranumhüllten Nachbarn interagieren. Kommt es zu Kontakt, können die Kondensate die Membranform verändern–es entstehen scheibenartige oder röhrenförmige Strukturen.

In der Zelle erfüllt jede Interaktion eine spezifische Funktion. Membranen kann man sich wie spezialisierte Labore vorstellen: Sie schaffen abgeschlossene Räume, in denen biochemische Reaktionen ungestört ablaufen können, und kontrollieren gleichzeitig den Stoffaustausch. Kondensate bieten eine zusätzliche Ebene der Kompartimentierung, indem sie unterschiedlich an Membranen haften oder auch nicht. Ihr Verhalten ähnelt dem von Wassertropfen, die je nach Oberfläche verlaufen oder abperlen. Fachlich sprechen wir hier von 'Benetzung'‘, erklärt Dr. Agustin Mangiarotti.

Nachdem sie vorübergehend als Reaktionsräume dienen, lösen sich die Kondensate wieder auf–und es bleiben Fragen, die von den Wissenschaftler*innen gelöst werden müssen.

In ihrer aktuellen Studie hinterfragt Dimovas Team die bisherige Annahme, dass der physikalische Zustand der Membran – flüssig oder fest – entscheidend für die Haftung von Kondensaten ist.

Membranen sind keine starren Wände. Im Gegenteil: Sie bestehen aus Doppelschichten von Fettmolekülen mit unterschiedlich langen Ketten, wodurch sie verschiedene Phasen einnehmen können – mal flüssig, mal fester. Eine Fettart, die wir alle kennen, spielt dabei eine wichtige Rolle: Cholesterin. Es beeinflusst, wie flexibel oder starr eine Membran ist. Und je flüssiger die Membran, desto stärker haften Kondensate an ihr“, ergänzt Dimova.

Durch den Einsatz hochauflösender Mikroskopieverfahren, präziser biophysikalischer Messungen und synthetischer Zellmodelle konnten die Forschenden zeigen: Nicht allein der Membranzustand, sondern vor allem die Packungsdichte der Fettmoleküle bestimmt über die Wechselwirkung mit Kondensaten.

Je dichter die Lipide gepackt sind, desto geringer ist die Neigung der Membran, Kondensate zu binden – unter anderem, weil dichte Membranen weniger Wasser an der Oberfläche halten. Locker gepackte Membranen hingegen wirken "nasser" und ziehen die Tröpfchen eher an.

Wer diese Mechanismen versteht, versteht auch die komplexe Innenwelt der Zelle – und damit die Grundlagen des Lebens. Gleichzeitig liefert dieses Wissen neue Einsichten in Prozesse, die bei Störungen zu Problemen in der Zellkommunikation, der Eiweißproduktion oder zur Entstehung von Krankheiten führen können.

 

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