Schillernde Farben aus kollektiven Mustern:
Wie Bakterien nachhaltige, pigmentfreie Farben versprechen

 

Gene ermöglichen die Vorhersage von Strukturfarben in Bakterien. Forschende entschlüsselten, wie Bakterien ihre Genetik programmieren, um sich innerhalb Kolonien in spezifischen Mustern anzuordnen, die Licht interferieren und schillernde Farben erzeugen. Durch die Sequenzierung zahlreicher bakterieller DNA und die Entwicklung eines präzisen KI-Vorhersagemodells eröffnen ihre Ergebnisse den Weg zu einer nachhaltigen, pigmentfreien Farbproduktion.
 

Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Manchmal ist sie sogar schillernd: einige Organismen haben schimmernde Nuancen, die sich je nach dem Winkel des einfallenden Lichts ändern. Denken Sie an eine Seifenblase, die Flügel eines Schmetterlings oder die Federn eines Pfaus - wenn man sich um sie herumbewegt, verändern sich ihre Farbtöne. Diese Phänomene sind Beispiele für Strukturfarben. Im Gegensatz zu Pigmenten, die bestimmte Wellenlängen absorbieren, hängen Strukturfarben von der inneren, mikroskopischen Anordnung der Moleküle und ihrer Interferenz mit dem Licht ab. Diese Anordnung reflektiert bestimmte Wellenlängen und blockiert andere, wodurch lebendige, schillernde Farben entstehen.

Auch Bakterien können Strukturfarben erzeugen, allerdings nicht als Individuen, sondern durch kollektives Verhalten in Kolonien, in denen sie sich nach bestimmten Mustern anordnen. Damit Millionen oder gar Milliarden von Bakterien dies erreichen, ist ein hohes Maß an Organisation und Kommunikation erforderlich. Eine Gruppe von Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung, des Biotech-Unternehmens Hoekmine, der Universitäten Utrecht, Cambridge und Jena und anderen hat die Genome einer Vielzahl von Bakterien analysiert, um Antworten auf diese Mechanismen zu finden.

Zunächst kultivierten die Forschenden verschiedene Bakterienarten im Labor und beobachteten ihre Reaktionen unter LED-Licht. Dabei stellten sie fest, dass die Farbe je nach Betrachtungswinkel variierte. "Wir fanden heraus, dass die Strukturfarbe auftritt, wenn sich die Bakterien in einer hexagonalen Form anordnen, ähnlich einer Bienenwabe. Das nennen wir einen photonischen Kristall, ein Muster, das Licht filtert und ein Schillern erzeugt", erklärt Silvia Vignolini, Direktorin der Abteilung Nachhaltige und bioinspirierte Materialien am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung.

Der nächste entscheidende Schritt war die Sequenzierung der bakteriellen DNA. "Die Genomik hat die Wissenschaft in den letzten Jahren revolutioniert, und wir vermuteten, dass die Gene auch für die Strukturfarbe verantwortlich sind", sagt Bas E. Dulith. Diese bahnbrechende Hypothese erwies sich als richtig: durch die Entschlüsselung der genetischen Baupläne identifizierte das Team mehrere Proteine, die an der Bildung der Strukturfarbe beteiligt sind. Anschließend entwickelten und trainierten sie ein KI-Modell, das genau vorhersagen konnte, welche Bakterien voraussichtlich Licht manipulieren würden.

Warum manche Bakterien Strukturfarbe produzieren, ist dagegen noch ein Rätsel.

"Wir haben Hinweise auf Strukturfarbe bei Bakterien gefunden, die in der Tiefsee leben, wo es kein Sonnenlicht gibt. Das deutet darauf hin, dass das Schillern ein Nebeneffekt einer zugrunde liegenden, noch nicht identifizierten Funktion sein könnte", bemerkt Aldert Zomer.

Die Forschungsergebnisse zu bakteriellen Strukturfarben sind nicht nur eine faszinierende wissenschaftliche Leistung, sondern eröffnen auch ein enormes Potenzial für nachhaltige und kostengünstige Anwendungen in der Industrie. Das Team will diese Technologie aus dem Labor in die Industrie übertragen. "Bakterien brauchen nur wenig Platz, sind leicht füttern und vermehren sich schnell. Man stelle sich vor, wir könnten sie züchten, um Farben herzustellen und Farbstoffe und Pigmente zu ersetzen, die viel Energie und Wasser verbrauchen und manchmal giftig sind, "stellt sich Colin Ingham vor.

Es gibt zwar noch viel zu entdecken, aber die Aussichten schimmern hoffnungsvoll.

 

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