6. Glycanforum lockt Wissenschaftler aus aller Welt nach Berlin
Drei Tage lang, vom 19. bis zum 21. März, werden Experten aus den wichtigsten Forschungsnationen Fortschritte auf dem rasant wachsenden Wissenschaftsgebiet der Glykobiologie präsentieren. Dabei geht es längst nicht mehr um reine Wissenschaft. Impfstoffentwicklung, Labordiagnostik, Materialforschung, Energiegewinnung und automatische Syntheseroboter zur Herstellung komplexer Glykane sind einige der Bereiche, in denen die Glykobiologie praktische Anwendung findet.
Glycomics, so wird der neue Bereich von den Wissenschaftlern genannt, beschäftigt sich mit komplexen Kohlehydraten. Glycomics ist neben Genomics und Proteomics die dritte Sprache des Lebens. Nach der Entdeckung des Genoms glaubten Wissenschaftler, den Schlüssel zur Bekämpfung von Krebs, Autoimmun- oder Erbkrankheiten gefunden zu haben. Es gab Erfolge, aber die brachten auch neue Erkenntnisse über die Komplexität der lebenden Materie. Bald darauf verlagerten sich die Hoffnungen der Forscher auf die Eiweiße, die von der DNA kodiert werden. Auf diesem Gebiet hat es in den letzten zwei Jahrzehnten spektakuläre Fortschritte gegeben. Jetzt rückt der dritte Bereich in den Vordergrund: Die Zuckerstrukturen im Körper. Der Alltagsbegriff Zucker ist dabei ein irreführendes Wort, denn wir denken dabei automatisch an Süßes. Die Aufgaben der Glykane in unserem Körper sind aber ganz andere, als nur süße Energie zu transportieren. Tatsächlich kommen die Glykane, wie die Zucker wissenschaftlich genannt werden, vor allem auf der Außenseite der Zellen vor. Sie dienen der Kommunikation zwischen den Zellen. Damit ist ihre Bedeutung klar. Wer den Zuckercode knackt, kann den Zellen Befehle übermitteln.
Allerdings war es bis vor wenigen Jahren nicht möglich, die Zucker zu erforschen, weil sie nicht künstlich herstellbar waren. Sie aus Biomasse zu filtern, war so teuer und aufwändig, dass sich nur wenige Wissenschaftler damit beschäftigten. Dass sich dies fundamental verändert hat, ist nicht zuletzt das Verdienst von Prof. Peter Seeberger, einem der weltweit wichtigsten Experten auf diesem Gebiet. Er hat das Fach mit einem Syntheseroboter revolutioniert, der komplizierte Glykane zusammenbauen kann. Seeberger ist jetzt Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam und Professor an der Freien Universität Berlin sowie der Universität Potsdam. Sein Institut bildet Wissenschaftler aus mehr als einem Dutzend Ländern aus, die ihr Glycomics Wissen weltweit verbreiten. Einer seiner Doktoranden wurde nach seiner Rückkehr nach China sofort Institutsdirektor und nimmt in dieser Eigenschaft an der Konferenz teil.
Seeberger und sein Team sind ein wichtiger Bestandteil des Berliner Glycomics Booms. Prof. Peter Seeberger: „Vor 10 Jahren gab es noch viele Kollegen, die sicher waren, dass es nie gelingen würde, komplexe Glykane nach Belieben zusammenzubauen. Sie meinten, dass „Glycomics“ ein Wunschtraum bleiben würde. Wie sehr sich das Bild gewandelt hat, beweist eine Konferenz der US National Academy of Sciences, die Ende 2011 in Washington stattfand. Sie definierte Glycomics als einen strategisch wichtigen Bereich der Wissenschaft, dem sich die USA verstärkt zuwenden müssten.“
In der Region Berlin-Brandenburg wurde vor 6 Jahren also eine zukunftsweisende Entscheidung getroffen. Ein weiterer Beleg dafür ist die Glycotope Group, die zum größten Glycomics- und Biotech-Startup Deutschlands wurde. In einem wichtigen Bereich der Wissenschaft ist die Hauptstadtregion zum Innovationsmotor geworden. Eine international besetzte Podiumsdiskussion zum Thema "Gesundheit in Entwicklungsländern" wird sich am 19. März ab 18:00 mit den Perspektiven beschäftigen, die sich aus den rasanten wissenschaftlichen Fortschritten ergeben. Impfstoffkandidaten und Medikamente gegen Tropenkrankheiten wie Malaria, Leishmaniose, oder Chagas sind in der Entwicklung. Bald wird die medizinische Realität den wissenschaftlichen Möglichkeiten hinterherhinken. Im Klartext: Sehr viele Menschen werden an Krankheiten sterben, gegen die Wissenschaftler Wirkstoffe entwickelt haben, die nie zu Medikamenten werden, weil die Abnehmer sie nicht zahlen können. Welche Fortschritte gibt es, und was kann man tun, damit z.B. die etwa 500 Millionen Malariakranken weltweit behandelt werden können?
Anmeldungen und mehr Informationen unter: www.glycan-forum.de